Der Artikel wurde erstmals in der Januar-Ausgabe des AKOM Magazins veröffentlicht (AKOM, das Fachmagazin für angewandte Komplementärmedizin).
Nachts vom eigenen Schnarchen aufzuwachen gehört nicht zu den Wunschträumen einer Frau Anfang dreißig. Geplagt von seit Monaten verstopften Atemwegen war genau dies eines der Resultate. Wie sich herausstellte wurde dies ausgelöst durch eine extrem leistungsorientierte Lebensweise, die den gefühlten Stresspegel immer weiter nach oben trieb. Damit einher ging eine Veränderung der natürlichen Atmung, welche die Atemwege meiner Klientin immer wieder dicht werden ließ und nicht nur zu unerwünschten Geräuschen nachts führte. Doch wie kann es sein, dass Stress solche Auswirkungen auf unsere Atemwege hat? Lassen Sie uns hierfür zunächst die Atemwege genauer betrachten.
wo fangen die Atemwege an?
Wo fangen die Atemwege eigentlich an? Sollten Sie geneigt sein „im Mund“ zu antworten, liegen Sie mit Ihrer Antwort nicht alleine daneben. Auch wenn viele Menschen durch den Mund atmen, gehört er anatomisch gesehen zum Verdauungstrakt. Der Beginn der Atemwege ist in der Nase. Hier fließt die Luft durch die Nasenlöcher ein und nimmt ihren Weg vorbei an den hinteren Nasenhöhlen in den Nasen-Rachen-Raum. Vorbei geht es nun am Kehlkopf, der als Verbindung zwischen Rachen und Luftröhre dient. Im Idealfall schützt er letztere beim Schlucken vor Speisestücken, weswegen Atmen und Essen nicht gleichzeitig geht. Aus der Luftröhre geht es weiter in die Bronchien, die sich hier teilen und den rechten und linken Lungenflügel mit Sauerstoff versorgen. Rein Optisch haben Bronchien Ähnlichkeit mit der Struktur eines Baumes, von dessen Stamm sich größere Äste immer kleiner verzweigen und in Blättern enden. Von der Luftröhre zweigen die beiden Hauptbronchien ab, die sich insgesamt 20- bis 25-mal teilen und in kleinen Lungenbläschen, den Alveolen enden. Jedes Ende dieser Äste verfügt über vierzig Lungenbläschen und die ganze Lunge damit aus beeindruckenden 400 Millionen Alveolen. Sie sind das eigentlich, atmende Lungengewebe, denn hier findet der Gasaustausch mit dem Blut statt. Eine große Aufgabe für so eine kleine Alveole, denn ihr Durchmesser beträgt gerade einmal 0,1-0,2 mm. Ihre hauchfeinen Wände sind umzogen von einem Netz von tausend, kleinster Blutgefäße, den Kapillaren. Sie lassen einen raschen Austausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) zu. Doch zurück zum Anfang der Atemwege.
Was macht die Nase als Teil der Atemwege so wichtig, was der Mund nicht kann?
Ein gesunder Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid sind für den Körper überlebenswichtig. Dabei ist Kohlendioxid keinesfalls das auszuatmende Abfallprodukt. Der Körper braucht es beispielsweise dringend für die Abgabe des Sauerstoffs aus dem Blut an die Zellen.
Unsere Lunge ist wie eine Schatzkammer, in welcher der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid stattfindet. Die Nase ist hierfür im übertragenen Sinne der sensible Wachposten. Er schaut im kleinen Eingang zu den Atemwegen sehr penibel wer hier hineinkommt und in welcher Form. Als natürlicher Filter werden hier unter anderem Pollen, Bakterien und Viren zurückgehalten. Um Entzündungen, Infekten und Austrocknen in der Lunge vorzubeugen, wird die eingeatmete Luft auf Körpertemperatur erwärmt und befeuchtet. Auch bei der Ausatmung sollte die Nase genutzt werden, denn bei einer Ausatmung durch den Mund verliert der Körper bis zu vierzig Prozent mehr Wasser.1)
In unserer Nase befindet sich auch der Geruchsnerv, der mehr als nur Düfte erkennt. Er ist mit dem limbischen System verbunden (Soudry et al 2011), welches mitunter unser Gedächtnis, Motivation und Verdauung steuert. Ebenso steht der Riechkolben in direktem Zusammenhang mit dem Gehirn, dem Hypothalamus, der unter anderem automatische Funktionen wie den Herzschlag, Hunger, Durst und Blutdruck steuert.
Einer der größten Kostbarkeiten der Nase steckt zudem in den Nasenhöhlen und den Nasennebenhöhlen, hier produziert der Körper verstärkt Stickoxid. Es schützt den Körper vor Infekten, und hemmt eindringende Viren und Bakterien.3) Stickoxid hält außerdem die Atemwege mit offen und weitet die Blutgefäße. In den Nebenhöhlen der Nase ist die Konzentration von Stickoxid einhundertmal so hoch ist wie die Konzentration in den unteren Atemwegen.2) Mit jeder Einatmung folgt es der eingeatmeten Luft in die Lunge. Seine Gefäß erweiternde Wirkung sorgt in der Lunge für eine bessere Verteilung von Luft und Blut. Auf natürliche Weise wirkt es der Schwerkraft entgegen, die das Blut nach unten zieht. So kommt mehr Luft in den unteren Teilen der Lunge an, wodurch der Körper besser mit Sauerstoff versorgt werden kann.
Obwohl die Nase zu den Atemwegen gehört, ist eine Mundatmung im Alltag weit verbreitet. Wie verheerend die Folgen konstanter Mundatmung sein können, beschreibt James Nestor in seinem Buch „Breath“. Für zehn Tage ließ er sich die Nase so verschließen, dass er ausschließlich durch den Mund atmen konnte. Bereits nach der Hälfte des Experiments war James Nestors Blutdruck so hoch gestiegen, dass dieser Wert dauerhaft zu Herzinfarkten oder anderen ernsthaften, gesundheitlichen Schwierigkeiten führen kann. Sein Puls stieg an, die durchschnittliche Körpertemperatur sank, was zu Beeinträchtigungen des Nervensystems und Organen führen kann. Gleichzeitig sank seine Herzfrequenzvariabilität (HRV) so drastisch, dass sein Körper sich in einem anhaltenden Stresszustand befand. Die HRV gibt unter anderem Aufschluss über die Ausgeglichenheit des Nervensystems.
„Aber das Schlimmste von all dem ist wie ich mich fühle: schrecklich.“4)
Wie wirkt sich Stress auf die Atemwege aus?
Steht der Körper unter enormen Stress, befindet er sich im „Angriff-oder-Flucht“-Modus. Rein physikalisch ist das für einen Moment durchaus nützlich. Adrenalin wird ausgestoßen, der Herzschlag wird schneller und die Atemfrequenz steigt. Um den Körper auf eine mögliche Flucht vorzubereiten und die Lungen mit weniger Kraftaufwand mit Luft zu füllen, steigen viele Menschen in diesem Moment auf Mundatmung um.5) Im Falle einer tatsächlichen Gefahr hilfreich, um sich zu schützen. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft lauert die Gefahr heute jedoch überall, beispielsweise in Massen von Nachrichten, sozialen Medien oder dauerhafter Erreichbarkeit. Der Körper reagiert mit den gleichen Wirkungen auf den Körper, die so nicht mehr kurzweilig bleiben, sondern zum Dauerzustand werden. Die Folgen hieraus reichen unter anderem von Schwierigkeiten zur Ruhe zu kommen, Schlafstörungen, chronischem Hyperventilieren, über Kurzatmigkeit im Ruhezustand, bis hin zu verstopften Atemwegen ohne infektiöse Ursachen.
Mit einigen dieser Anzeichen erreichte mich oben beschriebene Klientin. Eine Abfrage über den Nijmegen Fragebogen9) und ein Gespräch über die Intensität der Beschwerden in bestimmten Situationen gaben näheren Aufschluss über ihr Atemmuster. Ihre Atemfrequenz lag im Ruhezustand lag erhöht bei 20 Atemzügen/Minute (Normwert = 10-14). Sie atmete flach, überwiegend durch den Mund und nur bis in den oberen Brustraum.
Wie lassen sich Atemwege auf natürliche Weise wieder befreien?
Wichtig ist zunächst krankheitsbedingte Ursachen durch einen Facharzt ausschließen zu können. Ebenso sollten angeborene oder durch Unfälle verursachte, verengte Nasenwege ausgeschlossen werden.
Dann gilt es die Nase wieder als Eingang der Atemwege und den Mund nur noch in wenigen Ausnahmefällen, wie extrem hoher Belastung beim Sport, zu nutzen. Um wieder frei durch die Nase atmen zu können, wird der Gebrauch von Nasenduschen zwei bis drei Mal täglich, sowie gezielte Atemübungen angewendet. Insbesondere die yogischen Bhramari Atmung hat sich hierfür bewährt. Bei dieser Atemübung wird sanft durch die Nase ein- und ausgeatmet. Mit der Ausatmung wird ein leiser Summton, gleich einem Bienensummen erzeugt. Hierbei wird die Freigabe von Stickoxid in den Nasennebenhöhlen um ein fünfzehnfaches gesteigert, was der Verstopfung der Nase entgegenwirkt.7) Bhramari wirkt zudem beruhigend auf das Nervensystem, lindert mentale und emotionale Anspannung und hilft beim Einschlafen.6) Zudem werden Atemübungen mit langsamer, sanfter und tiefer Atmung praktiziert. Bei der langsamen Atmung wird mit einer Atemfrequenz von sechs gleichmäßigen Atemzügen/Minute geatmet. Nachweislich wird das Gehirn bei dieser Atemfrequenz besser durchblutet und der Körper kommt in einen kohärenten Zustand, in dem Kreislauf, Herz und Nervensystem optimal zusammenarbeiten.8) Durch sanfte Atmung normalisiert sich unter anderem die Atmung und Kurzatmigkeit wird reduziert. Tiefe Atmung nutzt die ganze Lunge, die Luft fließt so weiter als nur in den Brustkorb, sondern auch bis in die unteren Teile der Lunge. Durch die tiefe Atmung und damit bessere Nutzung des Lungenvolumens nimmt das Blut zudem besser Sauerstoff auf.
Um auch nachts weiter durch die Nase zu atmen, empfehle ich den Gebrauch spezieller Pflaster, die die Lippen leicht zusammenhalten und so eine Mundatmung verhindern. Ihre besondere Konstruktion ermöglicht dennoch im Notfall das Öffnen des Mundes. Sie machen nicht nur unattraktiven und ungesunden, schnarchenden Geräuschen den Gar aus, sie sorgen auch für eine bessere Schlafqualität.
Die Atemübungen und das Pensum sind abgestimmt auf den Gesundheitszustand und die jeweilige Lebenssituation der Klienten. Nach meiner Erfahrung ist es wichtig die Veränderung und Übungen so zu gestalten, dass sie sich einfach in den jeweiligen Alltag integrieren lassen.
Bereits wenige Tage nach Beginn des Trainings war eine deutliche Verbesserung beim Einschlafen zu bemerken und das unleidliche Schnarchen verschwunden. Im Verlauf von circa acht Wochen waren die Atemwege wieder befreit und eine entspannte Atmung durch die Nase möglich. Darüber hinaus trugen die Übungen und Umstellung zurück zur Nasenatmung zu einem ruhigeren und ausgeglicheneren Allgemeinbefinden bei.
Fazit
Bei der Behandlung von Beschwerden der Atemwege ist es auch wichtig zu verstehen, wie jemand atmet. Gesunde Atemwege beginnen in der Nase und enden im unteren Teil der Lunge, in den Alveolen. Essentiell ist hierfür eine Atmung durch die Nase und das Nutzen der gesamten Lunge. Eine Rückführung zur natürlichen Atmung durch die Nase und einem gesunden Atemmuster sind die Grundlage für gesunde Atemwege.
Versand der Referenzen zum Text auf Anfrage.
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