Atmen statt Meditation


"Ich kann nicht meditieren!" Viele Male habe ich diesen Satz schon gehört. In der Stille sind es die abertausenden Gedanken, die wir sonst über den Tag kaum wahrnehmen. Sie werden hörbar, wenn das Außenherum zur Ruhe kommt und wir bemerken mit welchen Informationen uns der Geist den ganzen Tag füttert.

wenn mit der entspannung die anspannung kommt

In der Tat jedoch gibt es Menschen, die nicht meditieren können. Menschen, die so unter Strom stehen, dass sie unbewusst, permanent im "Flucht-oder-Angriff"-Modus leben. Kommt die Stille in Form von Meditation, entspanntem Film gucken auf dem Sofa, tiefem Schlaf in der Nacht, .... meldet sich mit ihr plötzlich und unerwartet das innerliche Alarmsystem. Mit der Entspannung verschlimmert sich das Gefühl der Anspannung, in manchen Fällen geht sie einher mit dem Gefühl zu ersticken. Warum passiert das genau dann, wenn die lang ersehnte Pause endlich genommen wird?

Kampf-oder-Flucht modus

Im "Flucht-oder-Angriff"-Modus bereitet sich der Körper darauf vor gleich in Aktion zu treten. Endlose To-Do-Listen, Fristen, ein Meer an Nachrichten, Leistungsdruck,... sind die moderne Auslöser dafür. Im "Fight-or-Flight"-Modus werden unter anderem bestimmte Hormone ausgeschüttet und auch unsere Atmung wird schneller, damit der Körper wirklich für Weglaufen oder Angreifen gewappnet ist. Doch wir laufen nicht weg und erholen uns dann wieder, sondern hecheln weiter gehetzt durch den Alltag. Je länger diese Phase anhält, desto mehr verändert sich die Biochemie des Körpers, der sich an das chronische Hyperventilieren anpasst. Kehrt nun Ruhe ein, auch in der Atmung, meldet der Körper "Alarm", weil er durch die veränderte Biochemie das Gefühl hat nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt zu werden.

durch atmung zur meditation

Der Weg aus diesem Kreislauf heraus kann sein durch bewusste Atmung die Biochemie des Körpers wieder zu verändern, hin zu einer gesunden, funktionalen Atmung. Die passenden Atemübungen hierfür können immer wieder in kleinen Dosen über den Tag verteilt angewandt werden. Mit etwas Übung und (im wahrsten Sinne des Wortes) längerem Atem, können diese Einheiten verlängert werden. Sie führen unter anderem zu Ausgeglichenheit, besserem Schlaf, und stärken die Resilienz.

"Atmen ist die Meditation für alle, die nicht meditieren können." Dan Brulé

Ohne großes Zutun führen diese Atemübungen mit der Zeit mitten hinein in die Meditation. Es sind zum einen die positiven Effekte auf Gehirn, die Meditieren interessant macht. Zum anderen liegt hier der Zugang zu all den Antworten, für die der Verstand keine Worte findet. Ein Zustand, in dem du eins wirst mit dir und all dem, was dich im tiefesten Kern ausmacht.

Ganz gleich, ob du deinem Körper zu mehr Ausgeglichenheit und Entspannung verhelfen oder die Tiefen der Meditation abtauchen möchtest, der Schlüssel dorthin ist deine eigene Atmung.

 

Atemübungen

Ujjai-Atmung
Die Siegeratmung. Sie wirkt entspannend und sich zudem positiv auf Hals, Kehlkopf, Schilddrüse, Stimmritze und Atemwege aus. Je länger praktiziert, desto mehr öffnet sie das Tor zur Meditation.
Bei der Ujjai-Atmung erzeugen wir ein Geräusch, das innerlich klingt wie ein leises Meeresrauschen. Sobald sie für andere laut hörbar wird und klingt wie eine tosende Brandung bei Windstärke 12, paktizieren wir viel zu intensiv und überanstrengen den Kehlkopf. Und so geht's:
  • Setz dich aufrecht hin, so dass dein Kopf über dem Herzen und das Herz über der Hüfte ist.
  • Leg dir gerne ein Kissen unter, so dass deine Hüfte etwas höher ist als deine Knie. Das entspannt den unteren Rücken und das Zwerchfell.
  • Atme durch deine Nase ein und aus.
  • Lass deine Atmung etwas langsamer werden. Länge der Ein- und Ausatmung bestimmst du, so wie du gut Luft bekommst.
  • Verenge nun etwas die Stimmritze in deinem Kehlkopf. Es fühlt sich ein wenig an, als würde man direkt in den Kehlkopf atmen.
  • Atme ein und spreche dabei innerlich "haaa", atme aus und spreche dabei innerlich "heee".
Fange mit kurzen Einheiten an. Sobald du dich an die Ujjai-Atmung gewöhnt hast, verlängere sie nach deinen Bedürfnissen.

Summende Atmung
Bhramari, das Bienensummen. Sie wirkt beruhigend, öffnet die Atemwege und führt wieder zu einem langen Atem. Inzwischen zeigt die summende Atmung unter anderem auch bei Patienten mit long Covid gute Wirkung.  (Patrick McKeown, Oktober 2021)
  • Setz dich aufrecht hin, so dass dein Kopf über dem Herzen und das Herz über der Hüfte ist.
  • Leg dir gerne ein Kissen unter, so dass deine Hüfte etwas höher ist als deine Knie. Das entspannt den unteren Rücken und das Zwerchfell.
  • Atme durch deine Nase ein und aus.
  • Atme entspannt durch die Nase in dein Zwerchfell ein.
  • Atme mit geschlossenem Mund durch die Nase aus und summe dabei leise.
  • Die Länge der Ein- und Ausatmung bestimmst du, so wie du gut Luft bekommst.
  • Atme weiter durch die Nase ein und erzeuge beim Ausatmen einen Summton.
  • Wenn du die Übung beendest, bleibe noch sitzen und fühle einen Moment nach.
Fange auch hier mit kurzen Einheiten an. Sobald du einen längeren Atem hast, verlängere die Übung nach deinen Bedürfnissen. Auch Bhramari kann mit der Zeit einen Zugang zur Meditation bieten. Schau wie lange du nach der Übung in der Stille sitzen möchtest. Eine geführte Version der summenden Atmung findest du in meinem Podcast the breath garden.

Du findest keine Ruhe, mit jeder Entspannung kommt die Anspannung und der Stress empor? Gerne helfe ich dir im gemeinsamen Atemtraining aus dieser Schleife herauszukommen. Wir schauen uns deine derzeitige Lebenssituation an, deine Atmung und wie du gezielte Atemübungen in deinen Alltag einbauen kannst, um wieder ausgeglichen und ausgelassen leben zu können. Ich freue mich auf deine Nachricht.